Trojaburg
 
 

Über Parcival

Parcival, Sohn des Ritters Gahmuret und der Königin Herzeloyde wächst in der Waldeinöde von Soltane auf. Trotzdem zieht es den jungen Mann von „auffallender Schönheit, Gewandtheit und Kraft“ in die Welt seines ihm unbekannten Vaters, die Welt der Ritter.

Vom Edelmann Gurnemanz in die Normen ritterlicher Lebensführung und Kampftechniken eingeführt, erlernt Parzival höfisches Verhalten (Gewinnung der Scham, Ablegen des Narrenkleides, Rituale des christlichen Gottesdienstes).

Parzival bewährt sich trotz seiner Unbedarftheit als Ritter und gewinnt die Hand der Königin Condwiramus und die Herrschaft über das Königreich.

Nachdem er das Reich geordnet hat, verläßt er – wie sein Vater noch vor der Niederkunft seiner Frau – Condwiramurs, um seine Mutter zu besuchen, von deren Tod er noch nichts weiß.

Auf die Frage nach einer Herberge für die Nacht wird Parzival von einem Fischer auf eine nahegelegene Burg verwiesen und erlebt dort eine Reihe von mysteriösen Vorgängen: Die Besatzung der Burg freut sich ganz offenbar sehr über sein Erscheinen, wirkt aber gleichzeitig wie in tiefer Trauer. Im Festsaal der Burg trifft er den Fischer wieder, der sich als der Burgherr Anfortas entpuppt, der unter einer schweren Erkrankung leidet. Vor dem Mahl wird eine blutende Lanze durch den Raum getragen, was lautes Klagen der versammelten Hofgesellschaft verursacht. Dann tragen 24 junge Edelfrauen in einem komplizierten Ablauf das kostbare Tischbesteck auf, schließlich wird von der Königin Rapanse de Schoye der Gral hereingetragen, bei Wolfram ein Stein, der auf geheimnisvolle Weise wie ein Tischlein-Deck-Dich“ die Speisen und Getränke hervorbringt. Und am Ende bekommt Parzival vom Burgherrn dann noch dessen eigenes kostbares Schwert geschenkt – ein letzter Versuch, den schweigsamen Ritter zu einer Nachfrage zu ermuntern, mit der er, nach Auskunft des Erzählers, den siechen König erlöst hätte. Wie er es von Gurnemanz als höfisch angemessenes Benehmen eingeschärft bekommen hatte, unterdrückt Parzival auch jetzt jede Frage im Zusammenhang mit den Leiden seines Gastgebers oder der Bedeutung der merkwürdigen Zeremonien.
Am nächsten Morgen ist die Burg verlassen; Parzival versucht vergeblich, den Hufspuren der Ritter zu folgen. Stattdessen trifft er im Wald zum zweiten Mal auf Sigune, von der er den Namen der Burg – Munsalvaesche – und des Burgherrn erfährt und dass Parzival selbst jetzt ein mächtiger König mit höchstem gesellschaftlichen Ansehen wäre, wenn er den Burgherrn nach seinem Leiden gefragt und damit ihn und die Burggesellschaft erlöst hätte. Als er Sigune gegenüber zugeben muss, dass er nicht zu einer einzigen mitleidigen Frage fähig war, spricht sie ihm alle Ehre ab, nennt ihn einen Verfluchten und verweigert jeden weiteren Kontakt

Schließlich erfolgt eine weitere leitmotivische Handlungsvariation: Parzival erreicht die Artusgesellschaft zum zweiten Mal. Artus hatte sich eigens zu dem Zweck, den mittlerweile berühmten ‚roten Ritter‘ zu finden, auf den Weg begeben, und dieses Mal wird Parzival mit allen höfischen Ehren in die Tafelrunde aufgenommen; er hat damit den weltlichen Gipfel der ritterlichen Karriereleiter erklommen. Die Tafelrunde versammelt sich zum gemeinsamen Mahl, doch nur scheinbar sind alle zuvor erzählten Widersprüche, Verfehlungen und internen Rivalitäten vergeben und bewältigt. Außer Parzival wird mit Gawan, Artus’ Neffen, hier ein weiterer ritterlicher Held im höfischen Ansehen, seinem Kampfesmut und seiner adligen Würde vom Erzähler ausdrücklich hervorgehoben.

Aber genau in diesem Moment höchster Prachtentfaltung und Selbstbestätigung der idealtypischen adligen Gesellschaft treten zwei Figuren auf, die mit bitteren Verwünschungen und Vorwürfen gegen die Ritterehre ausgerechnet Gawans und Parzivals heitere Stimmung zerstören und das sofortige Ende der festlichen Versammlung bewirken: Die hässliche Gralsbotin Cundrie la Surziere verflucht Parzival, beklagt sein Versagen auf der Gralsburg und kennzeichnet seine Anwesenheit am Artushof als Schande für die ritterliche Gesellschaft insgesamt. Weiterhin macht sie die Runde darauf aufmerksam, dass die ritterliche Welt keineswegs so wohlgeordnet sei, wie es die fröhliche Geselligkeit glauben machen könnte. Cundrie erzählt von der Gefangenschaft vieler hundert adliger Frauen und Mädchen auf der Burg schastel marveile, darunter die nächsten weiblichen Verwandten Gawans und Artus’. Schließlich wird Gawan von Kingrimursel, dem Landgrafen von Schanpfanzun, des heimtückischen Mordes am König von Ascalun bezichtigt und zum Gerichtskampf herausgefordert.

Parzivals oberflächliche Gottesvorstellung zeigt sich darin, dass er sein Versagen auf der Gralsburg auf die mangelhafte Fürsorge Gottes zurückführt, der ja seine Allmacht hätte zeigen können, um Anfortas zu erlösen und damit seinen treuen Diener Parzival vor der schmachvollen Verfluchung durch Cundrie zu bewahren. Wie in einem Lehnsverhältnis kündigt Parzival Gott den Dienst auf; diese Fehleinschätzung des Verhältnisses zwischen Gott und den Menschen steigert sich später zu einem regelrechten Gotteshass.

Der Titelheld verlässt die Tafelrunde umgehend und begibt sich auf eine jahrelange einsame Suche nach dem Gral. Er wird damit auch zur Randfigur der Erzählung der folgenden Bücher, in deren Vordergrund die Aventiuren Gawans stehen.

Einige Jahre später, synchronisiert mit der christlichen Heilsgeschichte an einem Karfreitag, trifft Parzival auf eine Gruppe von Bußpilgern, die ihm entsetzt über seinen Auftritt in Waffen an diesem Tag und seine Abwendung von Gott raten, einen in der Nähe in einer Höhle wohnenden ‚heiligen Mann‘ aufzusuchen, um von ihm Hilfe und Sündenvergebung zu erhalten. Erst diese Begegnung mit dem Einsiedler Trevrizent, einem Bruder seiner Mutter, wie sich herausstellt, bringt die persönliche Entwicklung des Helden – und das heißt: dessen ritterliche Erziehung – zum Abschluss. Die langen Gespräche der folgenden beiden Wochen bei Trevrizent unterscheiden sich deutlich von den vorangegangenen Lehrstunden des Titelhelden durch Herzeloyde beziehungsweise Gurnemanz. Sie sind wesentlich umfangreicher, aber auch grundsätzlich anders angelegt als die früheren: Indem der Einsiedler in quasi mäeutischen Dialogen mit Parzival die gesamte Problematik erörtert, lässt er diesen selbst zu den entscheidenden Erkenntnissen über die Ursachen seiner desolaten Verfassung kommen.

Trevrizents Beitrag besteht dabei im Wesentlichen aus Fragestellung und Aufklärung: Er erläutert als richtiges Gottesverständnis, dass sich Gott nicht zwingen lasse, Hilfe dem zu gewähren, der sie – wie Parzival – meint einfordern zu können, sondern sie aus göttlicher Gnade und Liebe zu den Menschen heraus dem gewähre, der sich demütig Gottes Willen ergibt. Weiter erklärt der Einsiedler ausführlich die Beschaffenheit und die Wirkungskraft des Grals; zusammengefasst: Es ist ein kostbarer Stein, der lebens- und jugenderhaltende Kräfte besitzt, die jährlich am Karfreitag durch eine aus dem Himmel gespendete Oblate erneuert werden; mitunter erscheint eine Schrift auf dem Stein, die Anweisungen gibt, beispielsweise darüber, wer in die Gralsritterschaft aufgenommen werden soll. Ausdrücklich verneint Trevrizent die Möglichkeit, den Gral durch ritterliche Taten und Kämpfe zu erlangen, wie es Parzival oder inzwischen auch Gawan versuchen. Gralskönig kann nur werden, wer vom Gral dazu berufen wird, und die Gemeinschaft wartet sehnsüchtig auf eine solche Botschaft des Steins, damit Anfortas von seinen Leiden erlöst wird. Trevrizent hebt die Geschichte des Sündenfalls, und insbesondere die Geschichte des Brudermords Kains an Abel, als exemplarisch für die Sündhaftigkeit der Menschheit insgesamt und die Abkehr von Gott hervor. Im Zusammenhang damit wird die Offenbarung von Parzivals Familiengeschichte – Anfortas, der wegen Parzivals Frageversäumnis weiter leiden muss, ist ebenfalls Bruder seiner Mutter, Herzeloyde ist in der Trauer über den Verlust Parzivals gestorben, auch der getötete Ither, in dessen Rüstung Parzival immer noch steckt, war ein Verwandter – zum schwerwiegenden Sündenregister.

Vermummt tritt Kundrie la Surzière auf, jene, die einst Parzival verwünschte, als er bei Anfortas zu Gaste war und diesen von seinem Leiden nicht erlöste. Nun bittet sie, dass er ihr verzeihe. Parzival bezwingt seinen Hass und soll nach Munsalwäsche ziehen, um Anfortas durch Fragen von dessen Leid zu befreien. Von Parzival nimmt sie den Fluch:

Alles, was im Umkreis der Planeten ist und was ihr Glanz bescheint, ist Dir zu erreichen und zu erwerben bestimmt. Dein Schmerz muss nun vergehen. Nur allein das gierige Ungenügen schließt Dich aus der Gemeinschaft aus, denn der Gral und des Grales Kraft verbieten Dir unaufrichtige Freundschaft. Du hattest Dir in der Jugend die Sorge großgezogen, aber die nahende Freude hat sie um ihre Hoffnung gebracht. Du hast der Seele Ruh’ erstritten und des Lebens Freude in Sorgen erharrt.

Parzival sei vorbestimmt, König des Grals zu sein. Sie reiten, begleitet von Feirefiz, Anfortas zu erlösen.

Nur zwei Wege gibt es, Anfortas von seinem Leide zu befreien. Ihn sterben zu lassen verwehren ihm seine Getreuen, die ihm Mal um Mal Kraft durch den Gral in der Hoffnung auf Erlösung geben. Dies ist der Weg, den Anfortas Parzival offenbaren kann: er solle ihn vom Gral fernhalten. Der andere Weg ist die erlösende Frage aus dem Munde des Mannes, dem dort all seine Freude zerronnen war und dem nun alle Sorge vergangen ist: Oheim, was wirret Dir?, die Anfortas durch die Kraft des Herrn gesunden lässt.

Parzival macht sich auf zum Lager seiner Frau und seiner Kinder, die er seit Jahren nicht gesehen hat. Als Gralskönig hat er schier unendlichen Reichtum, Land und Macht. Die ererbten Lehen seines Vaters gibt er an seinen Sohn Kardeiß weiter, der dann (noch Kind) König dieser Länder ist. Mit seinem angetrauten Weibe und seinem Sohn Loherangrin kehrt er noch am selben Tage nach Munsalwäsche zurück.

 

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