Trojaburg
 
 

 5.2. Forschungsreisen & Expeditionen

Michael Kater behauptete seinerzeit, daß keine der bis dato erwogenen Forschungsreisen „in Regionen außerhalb des Reiches bis Kriegsende in Gang gesetzt  werden konnte“,  auf Planungen zu Forschungsreisen während der Kriegszeit geht er gar nicht ein, sondern weist lediglich auf die Unmöglichkeit der Durchführung derlei Expeditionen zu Beginn des Krieges hin.Dieser Sichtweise folgte die Mehrzahl der Autoren, die sich mit diesem Themengebiet auseinandersetzten.  Daß dies so nicht zutreffend ist, bemerkte jüngst Heather Pringle, die sich schwerpunktmäßig gerade mit diesen Expeditionen des Ahnenerbe auseinandersetzt. Während Kater durchblicken ließ, daß die eine oder andere Forschungsreise im Auftrag des Ahnenerbes doch durchgeführt wurde, eruiert Pringle insgesamt acht vor Kriegsbeginn durchgeführte Ahnenerbe-Expeditionen ins Ausland sowie vier weitere geplante, die nicht mehr durchgeführt wurden:  Skandinavien-Expedition(en) (Herman Wirth 1935 & 1936), Finnland (von Grönhagen 1936), Abessinien (Edmund Kiss 1939),  Balkan / Kroatien (Altheim 1936), Vorderer Orient / Irak (Altheim 1938), Südfrankreich (Assien Bohmers, 1939), Griechenland (Hans Schleif, 1940), Tibet (Ernst Schäfer 1938/39). Zu den geplanten Expeditionen zählen Island (Bruno Schweizer), Kanarische Inseln (Otto Huth 1939), Persien (Walther Wüst 1940) und Bolivien (Edmund Kiß 1940), wobei innerhalb der Ahnenerbe-Korrespondenz von 1939 auch noch Mandschuko (Japan), Südnigerien und sogar Hawai genannt werden. Weitere Interessengebiete ergaben sich aus bereits abgeschlossenen Forschungen zumeist von Privatforschern, auf die das Ahnenerbe aufmerksam wurde und für die zukünftige Unterstützung zugesagt wurde, so im Falle Kohl-Larssens, der 1936 Grönland bereiste. Daneben gab es archäologische Forschungen, die teils bereits vor dem Kriegsende anliefen und mit Anschluß (Österreich) oder Kriegseinbruch (Polen) in die Abhängigkeit des Ahnenerbe gerieten.Im Ausland standen die Expeditionen des Forschungsvereins oft im Verdacht, als Deckmantel für deutsche Spionagetätigkeit zu dienen - das nicht  ohne Grund: Tatsächlich wurden die der SS nahestehenden Forscher vom SD dazu angehalten, Beobachtungen politischer Natur sowie Einstellungen der Bevölkerung besuchter Gebiete gegenüber Deutschland und auswärtigen Mächten schriftlich festzuhalten.

Skandinavien: Archäologische Forschungsreisen Herman Wirths

Ende 1935, zu einer Zeit als das Ahnenerbe gerade im Aufbau begriffen war, unternahm Herman Wirth eine Forschungsreise zu den Felsbildern im schwedischen Bohuslän. Die heute als bronzezeitlich bezeichneten Felsbilder weisen eine Reihe von Petroglyphen und Symbolen auf, die Wirth mit seiner atlanto-arktischen Ursprache in Verbindung brachte, die sich weltweit von einem in Grönland vermuteten Ursprungsgebiet ausbreiteten. Nach seiner Rückkehr wenige Wochen später vermochte Wirth anhand eines Diavortrages Himmler von der Finanzierung einer größeren Expedition nach Skandinavien zu überzeugen. Diese sollte nicht nur die Felsbilder Bohusläns erfassen, sondern noch andere Stätten in Schweden und Norwegen erforschen. Am 4. August 1936 startete die Expedition, welche die Gruppe um Wirth erst nach Rügen und dann weiter nach Backa / Schweden führte. Von hier ging es weiter nach Bohuslän. Mit einer besonderen Technik fertigten Wirth und sein Team Gipsabgüsse zur Archivierung der Bilder an, die anschließend nach Deutschland geschickt wurden. Eines der Felsbilder, eine Figur mit erhobenen Armen, bezeichnete Wirth als Symbol des Gottessohnes,  eines arischen Vorläufers des urarischen monetheistischen Gottesbegriffs, von dem das Christentum die Vorstellung des Gottesvaters und -sohnes übernommen hätte. Nach Besichtigung des letzten Ziels der Expedition, der norwegischen Insel Lauvøylandet, kehrte die Forschergruppe drei Monate nach ihrem Aufbruch in die Heimat zurück.Nach Kaltstellung Wirths wurde 1938 der Schwede Hakon Fernholm als Mitarbeiter der Ahnenerbe-Abteilung Schrift- und Sinnbildkunde mit einem weiteren Forschungsauftrag in Schweden betraut. Im Rahmen des Auftrags sollten schwedische Runen- und Stabkalender gesichert und weitere Felsbilder untersucht werden.  

Finnland

1935 war Himmler durch die Lektüre eines Zeitungsartikels über die finnische Sagensammlung Kalevala auf einen jungen Autoren aufmerksam geworden: den Deutsch-Finnen Yrö von Grönhagen. Nach einem ersten Zusammentreffen hatte Himmler von Grönhagen als Abteilungsleiter der Forschungsstätte für Indogermanisch-Finnische Kulturbeziehungen für das Ahnenerbe verpflichtet und mit der Durchführung einer Forschungsreise beauftragt. Im Juni 1936 machten sich von Grönhagen und der Musikwissenschaftler Fritz Bose auf den Weg nach Karelien. Dort stieß der finnische Zeichner Ola Forsell zu der Gruppe. Aufgabe der Expedition war es, finnische „Zauberkundige“ und Schamanen aufzusuchen, finnisches Sagengut und Gedichte sowie Lieder zu sammeln bzw. aufzuzeichnen. Bei einem Treffen mit dem Volkssänger Timo Lipitsä trug dieser ein ebenfalls im Kalevala enthaltenes Lied vor, obgleich das Buch dem Sänger nicht bekannt war. Es folgten Zusammenkünfte mit dem finnischen Sänger Hannes Vornanen und dem Schamanen Miron-Aku, der in der dortigen Bevölkerung einen guten Ruf als Seher genoß.  Im Verlauf dieses Treffens wurden Film- und Tonaufnahmen einer okkulten Sitzung angefertigt bei der Miron-Aku vergangene und kommende Geschehnisse wiedergab, die er seherisch „empfing“. Weitere Forschungsberichte bezogen sich auf die finnischen Saunas.      

Frankreich

Nach Abschluß der Mauerner Grabung im Juli 1938, in der Assien Bohmers den „Beweis“ für eine Indigenität des Cro-Magnon-Menschen in Europa erbracht zu haben glaubte, versuchte der niederländische Forscher seine im Ausland mit Skepsis aufgenommenen Forschungsergebnisse abzusichern. Dazu plante er die Aussprache mit den führenden europäischen Steinzeitforschern und die Begutachtung deren Skelettmaterials. Die erste Station führte Bohmers nach Brüssel, wo er die Sammlung steinzeitlicher Perlen und Werkzeuge des wallonischen Forschers Aimé Rutot begutachtete. Von hier reiste Bohmers weiter nach Paris, um am „Institut de Paléontologie Humaine“ Werkzeuge aus Feuerstein zu untersuchen, die der führende Französische Steinzeit-Experte Abbé Henri Breuil (1877-1961) zusammengestellt hatte. Breuil hatte 1901 die Felsmalereien in der südfranzösischen Dordogne entdeckt und deren Entstehung in der Altsteinzeit nachgewiesen. Nun ermöglichte der Franzose seinem niederländischen Kollegen die Besichtigung der Höhlenmalereien von „Les Trois-Frères“, der bekanntesten der Höhlen. Hier prangt auch das Bild des Schamanen, eines Mensch-Hirsch-Zwitterwesens, das als eine der ältesten religiösen Darstellungen Europas gilt. Nach seiner Rückkehr referierte Bohmers im Winter 1938 auf einer SS-Gruppenführer-Tagung über die „Ur-Gottheit“ der Cro-Magnon-Menschen.  Himmler belohnte den emsigen Forscher mit der Ernennung zum Leiter der Forschungsstätte für Urgeschichte. Im August 1939 übernahm Bohmers in dieser Funktion die Grabungsstätte Dolní Věstonice in Tschechien, wo der nun emeritierte tschechische Forscher Karel Absolon seit den 20er Jahren bedeutende Funde zutage gefördert hatte. In drei Grabungskampagnen zwischen 1939 und 1942 konnten allerdings nur wenige Artefakte geborgen werden, die an Absolons Funde nicht heranreichten.

Abessinien

Im Februar 1939 führte Edmund Kiß im unter italienischer Verwaltung stehenden Abessinien (Äthiopien) („Welteis“-)Forschungen über Strandlinien durch. Innerhalb von zwei Wochen trug Kiß mit seinen Begleitern eine Reihe von Indizien für die einstmalige Existenz von gewaltigen Wassermassen in der lybischen Sahara zusammen, die für ihn nur mit der Hörbigerschen Theorie erklärt werden konnten (siehe folgendes Kapitel 6).

Italien, Balkan & Vorderer Orient: Archäologische Forschungsreisen Franz Altheims und Erika Trautmanns

Der damalige anerkannte Archäologe Franz Altheim wurde 1937 vom Ahnenerbe kontaktiert. Zu dieser Zeit bereitete er eine Reise ins italienische Val Camonica vor, um dort Felsinschriften und Runenzeichen zu studieren - als Beweis für die bronzezeitlichen Wanderwege nordischer Völker auf ihrem Weg nach Rom.Im Jahre 1938 unternahm Altheim dann mit Unterstützung des Ahnenerbe eine Forschungsreise, die ihn gemeinsam mit seiner als Fotografin assistierenden Begleitung Erika Trautmann auf den Balkan führte. Nach einem Treffen mit dem Direktor des rumänischen Staatsmuseums Grigore Floresci und einem freundschaftlichen Austausch über die dortige faschistische „Eiserne Garde“, folgte die Erfassung von Inschriften an Palastwänden in Kroatien. Nach weiteren Zielen in Serbien, der Türkei und Griechenland begab sich das Forscherpaar nach Damaskus, der Hauptstadt Syriens. Hier an der einstigen römischen Ostgrenze hoffte Altheim neue Erkenntnisse zu den Kämpfen der indogermanischen Völker mit semitischen Stämmen gewinnen zu können. Im Irak trafen sich die beiden auf Vermittlung des Botschafters Fritz Grobba mit einheimischen Forschern und besuchten Parthische und Persische Ruinen in der Nähe Bagdads. Das Ahnenerbe unterstützte diese Forschungsreise mit 6800 RM, die aus der Kasse des persönlichen Stabes des RF-SS stammten.Gleichzeitig erfüllten Altheim und Trautmann aber auch Dienste für den SD, indem sie Berichte über die politische Situation und Einschätzungen von ihnen getroffener Personen vornahmen.  Am 13.01.1941 vermerkt Ahnenerbe-Geschäftsführer Sievers einen Antrag Altheims auf eine Forschungsreise in das damalige Jugoslawien, die eine Besprechung zwischen Sievers und Altheim am 2.3.1941 nach sich zog, auf der weitere Einsatzfelder Altheims besprochen wurden.

Island-Studienfahrt & geplante Expedition

Unabhängig von einer geplanten Ahnenerbe-Expedition nach Island kam es 1936 zu einer Studienreise von SS-Führern nach Island. Die Island-Fahrt von Juni bis Juli 1936  ist entgegen den Äußerungen Wagners und Goodrick-Clarkes, die sie als „Forschungsreise“ bezeichnen, weniger eine Expedition mit konkretem Auftrag, als vielmehr der Versuch, einer Studienkommision von SS-Führern „durch gemeinsames Erleben die Wurzeln der germanischen Edda-Saga“ zu vermitteln. Zu den Teilnehmern zählen neben Otto Rahn, Wewelsburg-Bibliothekar Hans Peter de Coudres sowie Island-Kenner Paul Burkert.Der Plan einer Island-Expedition des Ahnenerbe stand demgegenüber in Zusammenhang mit Bruno Schweizer (1897-1958). Dieser war am 1. Dezember 1937 auf Grund seiner Bewerbung um die öffentlich ausgeschriebene Stelle zum Abteilungsleiter im Ahnenerbe der SS berufen worden. „Obwohl Schweizer zunächst eingestellt war, um an Stelle von Erich Gierach unter der Leitung von Walther Wüst das „Sachwörterbuch der Germanenkunde“ zu betreuen, und das Ahnenerbe bis dahin bestenfalls Interesse an seiner Zimbernforschung gezeigt hatte,“ wie Simon es formuliert, kommt es nach einem Gespräch Schweizers mit der Ahnenerbe-Führungsspitze Sievers und Wüst am 10. März 1937 zur Vorlage des „Plan einer Island-Forschungsfahrt“. Die drei Hauptaufgaben dieser für den Sommer 1938 vorgesehenen und auf 6 Wochen veranschlagten Island-Forschungsfahrt sollten sein:1. Landschaftsforschung: Aufsuchen von Thingstätten, Kampfbahnen Opferstätten, Kulturstätten (Tempel). Beschreibung der Lage und Ortung, Planaufnahme der Erdmarken und Lichtbild davon. Aufzeichnen der mündlichen Überlieferung darüber. Sonnenmarken.2. Hausforschung: Herstellung maßstäblicher Planskizzen von Rasenhäusern und ähnlichen alten Gebäuden; Wohnhöhlen, Häuser, Viehhäuser, innen und außen photographieren. Desgleichen Aufnahme der wenigen vorhandenen alten Hausgeräte.3. Volkskundliches: Filmaufnahme von typisch isländischen Vorgängen. Familien echt bäuerlicher Lebensart bei den täglichen Arbeiten, bei besonderen Feierlichkeiten. Begräbnis, Vergnügungen, Kinderspiele mit bemalten Kieferknochen, Hausbau, Schafsammeln, Pferde. Aufzeichnung von noch unbekannten Erzählungen, Sagen, Mythen, Bräuchen und Versen. Beobachtung sprachlicher Altertümlichkeiten. Haus- und Familienmarken.Nach Zustimmung von Wüst und Himmler kommt es Anfang 1939 zu Schwierigkeiten: Trotz der strikten Anweisung, jeden direkten Kontakt nach Island zu vermeiden, um die Expedition nicht zu gefährden, verschickt Schweizer Dossiers an den deutschen Generalkonsul in Reykjavik, den er von seinen drei Reisen nach Island in den letzten Jahren persönlich kannte. Dazu kommt ein Artikel einer isländischen Zeitung, in dem bevorstehende Expeditionspläne der SS sarkastisch kommentiert werden. Als zudem noch die Planung einer Island-Fahrt durch Rosenbergs Reichsbund bekannt wird und das Ahnenerbe-Budget von Kürzungen betroffen ist, legt Himmler die Expeditionspläne ad acta.

Kanaren & Spanien

Mitte der Dreißiger Jahre führte das Frobenius-Institut Ausgrabungen in  prähistorischen Höhlen Nordspaniens durch -  mit dabei waren der Althistoriker Franz Altheim und Erika Trautmann.. Das Interesse des Ahnenerbe richtete sich derweil auf die Kanarischen Inseln, wo die Ureinwohner, die Guanchen, als mutmaßlich letzte Vertreter der steinzeitlichen Europäer bis in die Neuzeit überlebt hatten. Durch die hellhäutigen und oft blonden Guanchen wurde die Inselgruppe oft in Verbindung zu den  „Ur-Ariern“ gebracht, denen von diversen Autoren eine Urheimat auf der irgendwo im Atlantik versunkenen Atlantis unterlegt wurde. Als bester Kenner der Kanaren galt seinerzeit Dr. Dominik Wölfel, der über eine umfangreiche Materialsammlung verfügte. Wölfel hatte im Verlauf seiner Forschungen die These vertreten, die Guanchen seien Nachfahren des blonden Cro-Magnon-Menschen, der sich ursprünglich in Nordafrika entwickelt habe.  Zu dieser von der NS-Linie abweichenden Ansicht über die Urheimat der Europäer - die SS-Forscher favorisierten bekanntlich das arktisch-nordische Gebiet - kam Wölfels Heirat mit einer „halbjüdischen“ Frau, was die Einschätzung seiner Person als politisch unzuverlässig manifestierte. Um das reichhaltige Material Wölfels dennoch für die eigenen Zwecke nutzen zu können, bemühte sich das Ahnenerbe seit 1939, das Archiv des Kanaren-Experten in die eigene Obhut zu übernehmen. Zu diesem Zeitpunkt liefen auch die Vorbereitungen einer Ahnenerbe-Expedition auf die Kanaren die von Otto Huth geplant, und dessen Schwager, dem österreichischen Orientalisten Otto Rössler (1907-1991), durchgeführt werden sollte. Otto Huth, Leiter der Ahnenerbe Abteilung für Indogermanische Glaubensgeschichte, hatte sich bereits in seinem Manuskript „Die Gesittung der Kanarier als Schlüssel zum Indogermanentum“ mit den Ureinwohnern der Kanaren befaßt und bemühte sich daher auch aus eigenem Interesse, Rössler den Weg für die Forschungsreise zu ebnen, jedoch ergebnislos. Nachdem die Expedition angesichts des drohenden Kriegsausbruchs abgesagt werden mußte, gelang es Rössler, Wölfel, der sich weiterhin einer Übergabe seines Archivs an das Ahnenerbe widersetzte, von der Notwendigkeit eines Nachdruckes der bedeutendsten Guanchen-Quelle zu überzeugen. Diese dann 1940 erschienende, aus dem Privatarchiv Wölfels stammende „Torriani-Handschrift“ nutzte Rössler schließlich für seine Habilitationsschrift über die „Sprache der Kanarier“1941. Nach erfolgreicher Habilitation wurde Rössler Leiter einer Kanaren-Abteilung innerhalb der Ahnenerbe-Forschungsstätte für den Vorderen Orient Victor Christians.      
Weitere Interessengebiete des Ahnenerbes in Spanien ergaben sich aus einer Zusammenarbeit mit dem spanischen Archäologen Julio Martínez Santa Olalla. Dieser war im Vorfeld des Hitler-Franco-Treffens 1940 abgestellt, den die Reise vorbereitenden Himmler in Madrid zu begleiten. Gemeinsam besichtigten sie das archäologische Nationalmuseum. „Begeistert von der fachkundigen und germanophilen Betreuung“, wie Nowak es formuliert, lud Himmler den von der Idee der „Arisierung“ der spanischen Frühgeschichte beseelten Spanier nach Berlin ein. Ende 1940 hielt Santa Olalla einen Vortragszyklus über die Goten in Spanien in mehreren deutschen Städten. Himmler revanchierte sich mit der Bereitstellung von Aufklärungsflugzeugen für archäologische Geländeerkundungen und der Unterstützung der Ausgrabung der westgotischen Nekropole Castiltierra, 100 Kilometer nördlich von Madrid. Auf Einladung der spanischen Behörden stattete Herbert Jankuhn der Grabung einen Besuch ab und auch Ernst Schäfer soll sich vor Ort über die Grabungsergebnisse informiert haben.  Aufgrund fehlender Möglichkeiten der Restaurierung geborgener Artefakte in Spanien, wurden einige bronzene Grabbeigaben nach Berlin geschickt. Noch im Jahr 1943 berichtete die spanische Zeitung  „El Pais“ von einem  Versand von Knochenfunden nach Berlin, die ebenfalls in Zusammenhang mit der Grabung Santa Olallas stehen soll.

Griechenland

Ein Land, das traditionell im Fokus der deutschen Archäologie stand, war Griechenland - oft als „Mutterland“ europäischer Zivilisation bezeichnet. Spätestens seitdem Hitler sich mehrfach schwärmerisch über die griechische Antike geäußert, zugleich aber auch ein älteres, von Norden kommendes Erbe dieser griechischen Kultur impliziert hatte, war das Land auch für Himmler interessant geworden. Es galt, die anhand von Sagenüberlieferungen naheliegende Verwandtschaft zwischen den alten Hellenen und den Germanen wissenschaftlich nachzuweisen - anhand anthropologischer und archäologischer Überlieferungen. Dies war die Ursache für eine Reihe von Maßnahmen, die heute verwunderlich erscheinen, insbesondere wenn sie während des Krieges initiiert wurden, als es sicherlich wichtigere Dinge gegeben haben dürfte, als etwa die Feststellung, wie viele der SS-Männer ein griechisches Profil aufwiesen. In diesem Fall war Himmler von dem Gedanken bewegt, der Zuneigung seines Führers zu den antiken Hochkulturen mit der Aufstellung eines SS-Verbandes zu huldigen, der - mangels geeigneter griechischer Freiwilliger - aus griechischen „Rassetypen“ bestehen sollte. Gleichzeitig war Himmler in Bezug auf Griechenland bestrebt, die sprachliche und kulturelle Verwandtschaft zwischen Hellenen und Norwegern mittels eines Forschungsauftrages zu prüfen - dieser Auftrag wurde jedoch auf die Zeit nach dem Kriegsende verschoben. Ebensowenig zur Umsetzung kam die geplante Einrichtung einer Ahnenerbe-Forschungsstätte über die „Arisch-indogermanischen Zusammenhänge in Griechenland und Italien“. Auf archäologischem Gebiet war bereits seit 1936 Emil Kunze auf Antrag des Reichssportführers v. Tschammer und Osten mit einer sogenannten „Führergrabung“ im griechischen Olympia befaßt. Im Herbst 1940 stieß Hans Schleif, der damalige Leiter der Ahnenerbe-Stätte Ausgrabungen hinzu und wurde für die Zeit der Grabung vom Ahnenerbe beurlaubt und als Leiter der Forschungsstätte durch Herbert Jankuhn abgelöst. Zuvor hatte Schleif bereits bei der Ausgrabung der antiken griechischen Stadt Pergamon (heute türkisch „Bergama“) mitgewirkt, in deren Verlauf er auch ein Rekonstruktionsmodell erstellte (Bild S. 143). Auf beide Grabungsbefunde, die 1944 veröffentlicht wurden, wird noch heute in Fachpublikationen zurück gegriffen.Weitere Ahnenerbe-Forschungen erstreckten sich auf das griechische Orakel-Heiligtum Delphi, das 279 v.Zw. von Kelten geplündert wurde, die allerdings einen Großteil des „Schatzes“ (von Orakelbefragern gespendete Münzen u.dgl.) auf dem überstürzten Rückzug zurückließen. Gerüchten zufolge, soll das Interesse des Ahnenerbes genau diesem Schatz gegolten haben.Eine weitere Untersuchung erstreckte sich auf das „Tor des Hades“, eine Bezeichnung für ein bei Tainaro gelegenes Höhlensystem auf dem südlichen Peloponnes. Legenden besagten, durch dieses Tor seien germanische Völker auf der Flucht vor einer Naturkatastrophe direkt aus Nordeuropa nach Griechenland gelangt. Hier soll Hans Reinerth zwischen April und Dezember 1941 für Rosenbergs Reichsbund geforscht haben, mit dem Ergebnis, daß tatsächlich neue Beweise für die nordische Einwanderung nach Griechenland erbracht worden seien.

Südnigerien
Neben offiziellen und halboffiziellen Expeditionen gab es allerdings noch eine Reihe weiterer Interessengebiete und Forschungsprojekte, für welche sich das Ahnenerbe interessierte.
Zu diesen zählten eine Südnigerien-Reise des Forschers Dr. Kohl-Larsen, an deren Finanzierung sich das Ahnenerbe 1938 beteiligen wollte.
Dr. Kohl-Larsen, SS-Mitglied als Obersturmbannführer, hatte zwischen 1934 und 1936 die ehemalige Kolonie Deutsch-Ostafrika bereist und Forschungen über vorgeschichtliche Felsmalereien im Nyarasa-Graben und die Tindiga, ein Jäger- und Sammlervolk in Afrika, angestellt. Berichte seiner Forschungstätigkeit wurden auch an das Ahnenerbe geleitet, welche daraufhin eine Unterstützung der weiteren Forschungstätigkeit Kohl-Larssens beschloß. Sievers verfügte im August 1937 die Zahlung einer Summe von 500 RM und stellte die Vermittlung eines Geldbetrages von 30 000 RM durch andere Stellen in Aussicht. Einen Monat später bedankte sich Kohl-Larssen bei seinem Förderer Himmler mit einem von ihm verfaßten Buch über die afrikanischen Issansu-Märchen. Hieraus entstanden Pläne für eine sogenannte Südnigerien-Expedition, die aber über theoretische Erwägungen nicht hinaus kam.

Grönland
Auch die Grönland-Forschungen von Prof. Paul Burkert, der als Untersturmführer seit Mitte der 30er Jahre SS-Mitglied war, erregten das Interesse des Ahnenerbe. Zwischen 1931 und 1933 führte der Meteorologe eine Expedition im arktischen Raum durch, von der er mehrere Exponate, darunter einen Inuit-Kajak mitbrachte. 1935 veröffentlichte Burkert seine Erlebnisse in dem Büchlein „Erlebtes Grönland“. Für 1937 plante Burkert, der 1936 auch zu den Teilnehmern der Island-Reise der SS-Führer zählte, eine weitere Forschungsfahrt nach Grönland, die unter anderem Beobachtungen des Verhaltens des Polarlichtes hinsichtlich der Welteislehre, Stern- und Wetterkundliche Untersuchungen sowie die Erforschung von Wikingersiedlungen vorsah. Das Ahnenerbe unterstützte diese Forschungen in der Vorbereitung mit 580 RM sowie der Bereitstellung von Waffen und Material. Wenige Wochen später distanzierte sich Sievers jedoch offiziell „aus besonderen Gründen“ von der geplanten Expedition, da Burkert angeblich „unrichtige Angaben über Forschungsaufträge Himmlers anläßlich der zurückliegenden Island-Fahrt verbreitet hätte. So führte Burkert die Expedition schließlich zwischen August 1937 und Mai 1938 ohne offizielle Mitwirkung des Ahnenerbe durch. Ein Bericht über diese Forschungsfahrt findet sich in Burkerts 1938 erschienendem Buch „Weißer Kampf. Eigene Erlebnisse in Grönland“. Hier berichtete er über geologische Entwicklung Grönlands: „Es muß hier einmal wie in den gesamten polaren Gebieten üppigstes Leben gewesen sein, es muß hier einmal der Wald aus Schachtelhalmen gewaltiger Größe gestanden haben, die heute im arktischen Gebiete zur Steinkohle Grönlands und Spitzbergens geworden sind....  . Und wie lange ist es her, daß sie hier ihr Blattwerk grünen ließen? ... Tannen und Kiefern, Ahorn und sogar Linde, Buche, Walnuß, Zypresse und andere Arten schatteten in der Tertiärzeit - also vor rund 10 000 Jahren. Wodurch wurde der Wechsel des Klimas bedingt? .. Die wahrscheinlichste Ursache ist eine Veränderung in der Wärmemenge, die uns die Sonne zusendet.“ Die Frage ist, ob diese Antwort bei einer expliziten Untersuchung der Wirkung der Welteislehre im Auftrag des Ahnenerbe ebenso ausgefallen wäre? Allerdings, so Burkert weiter, sei „auch gar nicht ausgeschlossen, daß der Nordpol selbst seine Lage auf der Erdoberfläche geändert hat...“   
Auch die schon im Rahmen der anvisierten Ahnenerbe-Forschungsreise geplante Untersuchung der Wikingersiedlungen auf Grönland erwähnt Burkert:  „Was ist denn ausgegraben worden? Und wo sind denn die Normannen geblieben? ... Man fand zum Beispiel kleine Messer mit Holzgriffen; aber die Klinge war so abgenutzt, daß sie kaum mehr als 2 bis 3 cm lang war. Es hat also starker Eisenmangel bei den Siedlern geherrscht. Andererseits wissen wir aus den Sagas, daß die Verbindung mit der Heimat zu Anfang des 15. Jahrhunderts aufhörte..... Der viehbestand an Schafen, Rindern und Schweinen ging allmählich aus Mangel an Nahrung zugrunde. Das Verhältnis mit den eingeborenen Eskimos war nicht immer friedlich, es kam zu schweren Kämpfen. So trat eine Ursache zur anderen, den Untergang der normannischen Besiedlung herbeizuführen.“

Tibet: Zur Ernst-Schäfer Tibet-Expedition 1938/39 siehe folgendes Kapitel 10

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